Vision und Forschung

Was steckt eigentlich hinter KOSMO und wie ist diese Plattform entstanden?  

Umlaufbahn von KOSMO

Konzeption der Softwarekomponenten auf Basis der in den Workshops mit Praxispartner:innen entwickelten Anforderungen. Parallel Aufbereitug der vorhandenen Trainingsdatensätze und erste Programmierstände der KI zur Erkennung von Inzivilität. 

 04/2020 – 12/2020

 01/2021 – 06/2021

Erste Iteration der Anwendungsprogrammierung. Dabei wurde eine API implementiert, die die KI an die KOSMO Plattform (basierend auf der Beteiligungssoftware adhocracy) anbindet. Eine erste Version des Moderationsbackends ermöglicht die Moderation von durch die KI gemeldeten Kommentaren. 

Entwicklung des Gamifizierungskonzeptes. Dieses ermöglicht eine gute Einbindung und Motivation von Nutzer:innen und legt außerdem die Grundlagen für die nutzergenerierte Synthese von Beiträgen.|Durchführung und Auswertung der ersten Praxistests auf Basis des Softwarestandes aus Iteration 1.

03/2021 – 09/2021 

10/2021 – 05/2022

Entwicklung der Algorithmen in Version 2 und Integration weiterer Kategorien zur Förderung deliberativer Qualität | Annotierung und Codierung neuer Trainingdaten aus dem Praxispartner:innen-Netzwerk von KOSMO | Programmierung der Diskussionsplattform in Iteration 2

Vorbereitung eines umfangreichen Testings der Gamificationansätze zur nutzerunterstützen Synthese von Beiträgen und Diskussionen | Erarbeitung der möglichen Verbreitungsmodelle für einen späteren Praxiseinsatz von KOSMO 

Aktuell 

Abschlussbericht

Das Projekt KOSMO ist vorerst beendet. Die Weiterführung des Ansatzes und dafür notwendige Forschungen befinden sich in Vorbereitung. Wenn Sie Interesse am Projekt haben, können sie uns gerne kontaktieren. Für diejenigen, die sich intensiv mit dem Ergebnis beschäftigen möchten, bieten wir den Abschlussbericht hier zum Download an. 

Unsere Entwicklung: Arbeit in Iterationen

KOSMO ist von der Organisations-Struktur an die agile Softwareentwicklung angelehnt. Das bedeutet wir arbeiten in Iterationen – in konkreten zeitlichen Rahmen. Jede Iteration hat ein gesetztes Ziel und am Ende der Iteration wird in Tests überprüft, ob wir den Bedarf der Nutzer:innen treffen. Das hat den Vorteil, dass wir in dem Projekt in Bezug auf die Softwareentwicklung aber auch in Bezug auf die wissenschaftlichen Entwicklungen uns immer nach den neuesten Erkenntnissen und Rahmenbedingungen richten können. Gleichzeitig werden beständig konkrete Produkte ausgeliefert, die potenziell direkt benutzt werden könnten.

Für Iteration 1 lag der Fokus darauf, der Moderation in der Software adhocracy mehr Platz einzuräumen. Der Fokus der Software lag bisher auf den Teilnehmenden sowie bei den Initiator:innen von Beteiligungsprojekten. Auf diesen Features konnten wir dank des Open Source Charakters bereits aufbauen. Die Moderation hat in dieser Iteration zusätzlich ein eigenes Dashboard bekommen. Dort finden sich eine Übersicht über alle Projekte, die die Moderation bearbeiten muss. Außerdem werden dort Diskussionsbeiträge angezeigt, die von Nutzer:innen gemeldet wurden. Diese Meldungen sind bei allen Moderator:innen auf dem gleichen aktuell. Dies ermöglicht auch das gleichzeitige Bearbeiten der Meldungen. Das Highlight der ersten Iteration war die Einbindung der Künstlichen Intelligenz, die der Moderation im Dashboard für die Diskussion schädliche Kommentare meldet. Auch Teilnehmer:innen haben nach dieser Iteration ein individuelles Dashboard mit ihren Beteiligungsprojekten, Aktivitäten und Einstellungen.

Iteration 2 hatte dann den Fokus der Kommunikation zwischen Moderation und Teilnehmenden. Die Moderation kann nun über das Dashboard auf gemeldete Kommentare reagieren und ihnen Feedback geben, den Kommentar blockieren oder ihn hervorheben. So kann die Moderation spezifisch auf einen Kommentar reagieren, der ihr von der Künstlichen Intelligenz oder anderen Teilnehmenden gemeldet wurde. Die Reaktionen hängen von der Qualität des Kommentars ab: Über die Feedback-Funktion kann die Moderation kommentieren, wenn ein Diskussionsbeitrag nicht der gewünschten Redekultur entspricht, inhaltliche Nachfragen stellen oder Fragen beantworten. Bei starken Verstößen gegen die Netiquette kann die Moderation den Kommentar blockieren, sodass er nicht mehr in der Diskussion sichtbar ist. Beiträge, die z.B. besonders zu einer guten Qualität der Diskussion beitragen, kann die Moderation hervorheben. Der Beitrag ist dann in der Diskussion markiert und kann dementsprechend sortiert werden. Die Meldungen im Moderations-Dashboard können nun auch archiviert werden. So sind alle Moderator:innen immer auf dem aktuellen Stand, welche Meldungen noch bearbeitet werden müssen und welche bereits erledigt sind.

In der Iteration 2 haben wir eine neue Innovation eingebaut: Hat die Künstliche Intelligenz vorher schädliche Kommentare identifiziert und gemeldet, ist nun das Ziel, dass sie auch konstruktive Kommentare sowie Kommentare mit Tatsachenbehauptungen detektiert. Diese unterschiedlichen Kategorien sind im Moderations-Dashboard wiederum filterbar, sodass die Moderation ihren Fokus immer auf eine Kategorie richten kann. Die Moderation kann so aktiv Diskussionsbeiträge hervorheben, die die Qualität der Diskussion verbessern oder konkrete Nachfragen zu Tatsachenbehauptungen stellen.  

Workshops und Partizipative Erarbeitung 

KOSMO entsteht seit Begin des Projektes partizipativ! 

Kosmo & adhocracy

KOSMO basiert auf adhocracy. Damit wächst die Plattform auch außerhalb des Projektes weiter.

Qualitätskriterien guter Diskussionen im Netz

Was bedeutet deliberative Qualität und warum ist sie wichtig?

Gamification

Gute Beziehungen als Basis für hohe deliberative Qualität

Workshops und Partizipative Erarbeitung 

Wir entwickeln KOSMO nicht nur in einem interdisziplinären Team aus Wissenschaftler:innen, Softwareentwickler:innen und Beteiligungsspezialist:innen. Wir haben konsequent und von Anfang an auf eine aktive Mitgestaltung unserer späteren Nutzer:innen gesetzt. Dafür haben wir schon bei Analyse und Festlegung der Entwicklungsziele in interaktiven Workshops in gemischten Teams aus Team-Mitgliedern und Praxispartner:innen durchgeführt.

Über mehrere Workshopreihen hinweg haben wir erarbeitet, wo der Fokus der Plattform liegen soll. Mit Hilfe unserer externen Partner:innen konnten wir gut priorisieren, welche Funktionen für unsere späteren Nutzer:innen den Kern einer Moderationssoftware ausmachen und die also vorrangig fertiggestellt werden müssen.

Schon früh wurde klar: Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen in der die Interaktion zwischen Nutzer:innen und Moderation leicht fällt. Eine Umgebung, in der nicht vorrangig technisch eingegriffen wird, sondern sozialer Austausch im Vordergrund steht. Dabei wird KOSMO unterstützen. Im guten Zusammenspiel zwischen KI und sozialem Miteinander kann eine konstant hohe deliberative Diskussionsqualität gelingen.  

Kosmo & adhocracy

KOSMO basiert auf der Open-Source Beteiligungssoftware adhocracy, die von dem gemeinnützigen Verein Liquid Democracy stetig weiterentwickelt wird. Sie dient u.a. als Grundlage für die Beteiligungs-Plattformen adhocracy.plus und mein.berlin.de.

KOSMO wird über adhocracy stetig mit den neuesten Entwicklungen „gefüttert“ und ist somit immer auf dem aktuellsten Stand in Bezug auf Weiterentwicklungen. Entwicklungen, die z.B. Auf adhocracy.plus implementiert werden, sind automatisch auf der KOSMO-Plattform. Dies ist der große Vorteil bei einer Open-Source Software – KOSMO kann auf die jahrelange Erfahrung und Entwicklung von adhocracy zurückgreifen und somit erprobte Features direkt benutzen. Dies betrifft insbesondere eine Vielzahl an Modulen, die für Beteiligungsprojekte benutzt werden können. KOSMO kann auf Brainstormings, Kartenverotungen und Textdiskussionen zurückgreifen. Fokus bleibt allerdings das Diskussions-Modul, was bereits in mehreren Beteiligungsprozessen, praktisch erprobt wurde, unter anderem im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung der Enquete Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestages.

Gleichzeitig ist KOSMO von adhocracy unabhängig in dem Sinne, als dass es eine innovative Spielwiese für neue Entwicklungen, technische Experimente und Testszenarien bietet. Zum ersten Mal haben wir eine Künstliche Intelligenz an adhocracy angebunden – nun prüfen wir in Tests, wie Nutzer:innen auf die Meldungen von Kommentaren durch eine Künstliche Intelligenz reagieren und inwieweit sie diese Möglichkeit wahrnehmen. In einem bereits erprobten Rahmen können wir so neue Features ausprobieren und konkret testen, ob sie eine positive Auswirkung auf die deliberative Qualität von Online-Diskussionen haben. KOSMO verbindet in diesem Sinne Bewährtes mit Innovation.   

Qualitätskriterien guter Diskussionen im Netz – was bedeutet deliberative Qualität und warum ist sie wichtig?

Wir bei KOSMO haben uns zum Ziel gesetzt, gute Diskurse online durch algorithmusbasierte interaktive Moderation zu fördern. Unser Verständnis eines guten Diskurses leiten wir dabei aus der neueren Deliberationstheorie, der sogenannten inklusiven oder Typ 2 Deliberation ab (Bächtiger et al., 2010). Die Forschung findet dabei starke Anhaltspunkte dafür, dass die Typ 2 Qualitätskriterien sowohl von (demokratischen) Anbieter:innen von Online-Diskursen sowie Diskutierenden selbst geteilt wird.

Typ 2 Deliberation zeichnet sich dabei durch zwei Merkmale aus: Zum einen zeigt sie sich durch die Abwesenheit von Inzivilität. Diskutierende sollen also einen gewaltfreien Diskursraum vorfinden, in welchem Herabwürdigungen, Vulgarität sowie jede Form von Diskriminierung keinen Platz haben. Jede:r Teilnehmer:in soll es so ermöglicht werden, seine/ihre Sichtweisen und Erfahrungen in einem geschützten Rahmen zu äußern. Wir stellen dies sowohl mit Mitteln der automatisierten Detektion von Inzivilität als auch durch die Begleitung und Strukturierung der Diskussion durch Moderator:innen sicher.

Zum anderen möchten wir im Rahmen von KOSMO aber auch explizit guten Diskurs ermöglichen. Für diesen ist die Abwesenheit von Inzivilität zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Deswegen legen wir für hochwertigen Diskurs eine Positivdefinition an, die sich im Vorhandensein der folgenden Indikatoren äußert:
Rationalität: Wir möchten explizit solche Kommentare fördern, die ihre Position mit Argumenten belegen, anderen Diskutierenden relevante Zusatzinformationen zur Verfügung stellen und die Debatte mit konstruktiven und sachlichen Lösungsvorschlägen bereichern.
Reziprozität: Verständigungsorientierte Kommunikation kann nur dann entstehen, wenn die Sichtweisen aller Diskutierenden nicht nur gleichmäßig geäußert, sondern auch gehört werden (Kies, 2010). Deswegen sind rationale Bezugnahmen, also dem inhaltlichen Aufgreifen eines Standpunktes Anderer (Graham & Witschge, 2003), ein essentieller Bestandteil guter Debatten. Im besten Falle äußert sich Reziprozität in kommunikativer Empathie.
Respekt: Respekt zeigt sich in unserem Verständnis nicht durch die bloße Abwesenheit von Inzivilität. Stattdessen sollen explizite Respektsbekundungen, Danksagungen sowie das Einhalten eines höflichen Umgangstones zu einem guten Diskursklima beitragen.
Austausch von persönlichen Erfahrungen: Auch die Äußerung von persönlichen Erfahrungen und Emotionen hat im Rahmen guter Typ 2 Online-Diskussionen ihren legitimen Platz. Solchen Inhalte haben dabei diskursförderliche Wirkung, da sie die Nachvollziehbarkeit von Standpunkten unterstützen und zu Empathie anregen.   

Im Rahmen von KOSMO wird auch die Auswahl hochwertiger Kommentare durch einen Algorithmus unterstützt. Der Zweck des Algorithmus ist es dabei, besonders hochwertige Kommentare zeitnah aus der Masse aller Kommentare zu identifizieren. Moderator:innen können dann diesen positiven Diskursverlauf gezielt mit Hervorhebungen, Danksagungen, Zusatzinformationen sowie stimulierenden Anschlussfragen befördern. Zudem hiflt ein Algorithmus zur Erkennung von Tatsachenbehauptungen Moderator:innen dabei, die Faktizität geteilter Zusatzinformationen sicherzustellen. 

Gamification

Gute Beziehungen als Basis für hohe deliberative Qualität

Gamifizierung bedeutet Elemente aus Spielen in nicht-Spiel Kontexten anzuwenden. Dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, dass Spiele eines wirklich gut können: Uns zu bestimmten Handlungen zu motivieren! Dann fühlen wir uns herausgefordert, zur Kreativität befähigt, mit anderen Menschen verbunden etc. – und haben dadurch Spaß an dem was wir tun!

Gamifizierung wird dabei oft mit den klassischen Points, Batches und Leaderboards gleichgesetzt – dabei sind sie nur ein winziger Teil der Möglichkeiten, die sich bieten um Motivation zu erzeugen!

Wir wollten in diesem Projekt tiefer gehen! Gamifizierung wie wir sie verstehen, betrifft die gesamte Architektur der KOSMO-Plattform: Statt der Oberfläche lediglich die besagten Points, Batches und Leaderboards überzustülpen, wurde die Architektur der Plattform von Anfang an gezielt in Richtung des gewünschten Erfahrungserlebnisses gestaltet.

Oberstes Ziel der KOSMO-Plattform ist es Diskussionen mit hoher deliberativer Qualität zu ermöglichen, in denen Argumente begründet werden und Teilnehmer wirklich aufeinander eingehen ohne respektlos zu werden.

Diese Qualität ergibt sich für uns aus der Qualität der Beziehungen zwischen Teilnehmer:innen, unterstützt durch Moderator:innen und der KOSMO-KI. Diese Beziehungen stehen im Mittelpunkt und werden durch die anderen Elemente der Plattform unterstützt. Etwa durch schnelle, direkte Möglichkeiten für Nutzer:innen Feedback zu geben, ein übersichtliches Moderations-Dashboard, mit dem die Moderation schnell zur Diskussion springen kann, und einen Onboardingprozess der Lust darauf macht auszuprobieren.

Es soll Spaß machen mit zu diskutieren – was nicht heisst, dass es nicht herausfordernd wird. Aber diese Herausforderung soll aus der Stärke der Gegenargumentation, nicht aus dem Frust über die Plattform kommen. Statt schneller Dopaminschübe stehen persönliche Verbindung und gehaltvolle Diskussionen im Vordergrund – komm und entdecke neue Perspektiven mit uns! 

Liquid Democracy
Institut für Partizipatives Gestalten
Heinrich Heine Universität Düsseldorf